Wie sind Sie als Kiefer- und Gesichtschirurg zur Implantologie gekommen?
Meine ersten Erfahrungen mit Zahnimplantaten habe ich 1994 als junger Assistent an der Universitätsklinik gemacht. Dort durfte ich bei vielen Operationen zuschauen und habe zeitig damit angefangen, das, was ich dort gesehen habe, in der zahnärztlichen Praxis bei Kollegen umzusetzen. Für einen handwerklich geschickten jungen Mann wie mich funktionierte das auch sehr gut.
Obwohl ich die ersten Jahre viele Titanimplantate erfolgreich gesetzt habe, war ich mit dem periimplantären Gewebe oft unzufrieden. Was damals noch nicht bekannt war: Wenn Titanpartikel von Makrophagen phagozytiert werden, können diese eine Zytokin-Expression initiieren, was die Ursache vieler periimplantärer Komplikationen ist.
Auf einem Kongress kam ich dann mit einer Firma in Kontakt, die Zirkonoxidimplantate herstellte, und da ich offen gegenüber neuen Systemen und Materialien war, probierte ich es kurzerhand aus. Allerdings war mir die maschinierte Implantatoberfläche, die der eines früheren Brånemark-System®-Implantats ähnelte, schon damals suspekt. Hinzu kam, dass der Patient ein halbes Jahr lang eine Tiefziehschiene tragen musste, die das Implantat während der Einheilphase schützte. Meine Patienten waren darüber überhaupt nicht glücklich. Zudem garantierte dieses Vorgehen in keiner Weise den Erfolg der Einheilung, weshalb ich relativ schnell von diesem System und diesem Material Abstand nahm. Die praktische Umsetzung war einfach zu aufwendig und das Ergebnis nicht vorhersagbar genug.
Was hat Sie schließlich dazu bewogen, auch Keramikimplantate anzubieten?
Vor etwa 14 Jahren erzählte mir mein Freund Harald Fahrenholz von einem Kollegen namens Johan Feith, der ein neues keramisches Implantatsystem entwickelt hatte. Sein Implantat hieß damals ZV3 und ist heute als Patent™ Dental Implant System bekannt. Trotz anfänglicher Skepsis besuchten wir ihn in seiner Ordination in München. Drei Stunden später verließ ich diese als absoluter Verfechter von keramischen Implantatsystemen. Johan Feith konnte mich davon überzeugen, dass Keramik bei entsprechender Herstellung des Implantatsystems funktioniert. Anders als bei dem maschinierten System, das ich bereits kannte, hatte Johan Feith eine Oberflächenbehandlung entwickelt und patentiert, mit der eine Rauigkeit erreicht wird, die an die von Titanimplantaten herankommt. Dies garantierte die zuverlässige Einheilung seiner Keramikimplantate.
Während dieses Besuchs kam ich auch erstmals in Kontakt mit dem Titan-Stimulationstest von Volker von Baehr, IMD – Institut für medizinische Diagnostik, Berlin-Potsdam. Initiiert durch eine orthopädische Arbeitsgruppe, die Probleme mit der aseptischen Nichteinheilung von Knie- und Hüftimplantaten hatte, wurde festgestellt, dass Titanpartikel von Makrophagen im umliegenden Gewebe phagozytiert werden und – genetisch determiniert – mit einer Ausschüttung von Zytokinen reagieren, wodurch eine Entzündungsreaktion initiiert wird. Ein solche lokale Unverträglichkeit findet am „Ort des Geschehens“ statt – in unserem Fachbereich also im periimplantären Gewebe.
Dies ist jedoch nicht bei allen Titanimplantaten der Fall. So hat Holger Zipprich dargelegt, dass es zwischen Abutment und Implantat Mikrobewegungen gibt, durch die Titanpartikel freigesetzt und phagozytiert werden. In der Folge kommt es zu einer lokalen Mukositis und im schlimmsten Fall zu einer Periimplantitis. Dagegen haben Studien zu Keramikpartikeln gezeigt, dass Makrophagen auf diese nicht mit der Ausschüttung von Zytokinen reagieren. Als bekehrter Implantologe für keramische Systeme habe ich mir sofort dieses System zugelegt und die ersten Patienten akquiriert, die von der weißen, zahnähnlichen Implantatfarbe begeistert waren. Insbesondere während der Einheilzeit und nach der späteren prothetischen Versorgung habe ich festgestellt, dass das periimplantäre Gewebe im Gegensatz zu dem um Titanimplantaten nahezu perfekt aussieht.
Unsere Broschüre zum Thema Bio-Integration gibt es als Download:
Was ist beim Setzen von Keramikimplantaten zu beachten?
Erfahrungsgemäß beschränken sich potenzielle Probleme bei Keramikimplantaten auf die Einheilzeit. Ich vermag nicht mit hundertprozentiger Sicherheit zu postulieren, was die Ursache dafür ist. Um allerdings eine sichere Osseointegration zu erreichen, sollten drei Punkte berücksichtigt werden: Zunächst ist eine perfekte Primärstabilität von großer Bedeutung. Darüber hinaus muss der Knochenstoffwechsel maximal angeregt sein. So sollte etwa der Vitamin-D-Spiegel am oberen Limit liegen. Auch ist es wichtig, dass der zu behandelnde Patient kein parodontal aktives Gebiss hat. Werden diese drei Faktoren beachtet, sollte es keine Probleme bei der Einheilung von Keramikimplantaten geben.
Inwieweit unterscheidet sich das Patent™ Implantatsystem von Titanimplantaten?
Anders als bei den meisten Bone-Level-Implantaten aus Titan, die mit der Knochenoberfläche abschließen, kommt das Keramik-System aus dem Knochen heraus, geht oben tulpenförmig auseinander und ist isogingival zu setzen. Wenn das Implantat ein bisschen über die Schleimhaut herausschaut, ist es sogar erlaubt, es zu beschleifen, um es auf Zahnfleischniveau zu reduzieren. Dies funktioniert längst nicht bei allen Implantatsystemen. Die prothetische Versorgung des Implantats ist (wie man in Österreich sagt) „watscheneinfach“ und im Prinzip vergleichbar mit der eines natürlichen Zahns. Man klebt den Glasfaserstift in das Implantat ein, beschleift ihn und nimmt anschließend davon einen Abdruck – das war’s, das kann jeder Zahnarzt.
Zudem geht es überaus schnell, ein Implantat einzusetzen. Der Bohrvorgang ist ident zu Titan und das Eindrehen ebenfalls. Allerdings gibt es nichts zu schrauben, und es werden keine Einbringpfosten oder Gingivaformer benötigt. Die kurzen OP-Dauern sind mir gegenüber meinen Patienten teilweise fast schon peinlich. Es dauert oft nur zwei bis drei Minuten – und das Implantat ist inseriert und fertig. Manchmal fragen mich meine Patienten: „Herr Doktor, so viel Geld für so kurze Zeit?“ Darauf antworte ich gerne: „Sie zahlen so viel Geld, weil es so schnell geht!“
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Implantologie aus?
Der Trend geht immer mehr in Richtung biokompatibler Materialien. Immer häufiger kommen Patienten zu uns, die Symptome beklagen, zu dessen Ursprung ihnen kein Arzt Auskunft geben konnte. Dass dies nur von Titanimplantaten herrührt, möchte ich nicht postulieren. Meist handelt es sich um multifaktorielle Geschehen: Eine Sache kommt zu einer anderen hinzu, bis der letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt. Uns sollte es daran gelegen sein, möglichst wenige Tropfen in den Patienten hineinzutun. Die Verwendung von biokompatiblen Materialien, wie Zirkonoxid, zu dem keine Unverträglichkeiten bekannt sind, ist ein guter Anfang.
Allerdings sind Keramikimplantate am Markt längst nicht so etabliert wie Titansysteme. Es gibt noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten, was beispielsweise die Verankerung von herausnehmbarem Zahnersatz auf Keramikimplantaten betrifft. Ältere Menschen, bei denen eine solche Versorgung sinnvoll wäre, machen einen großen Anteil meiner Patientenschaft aus. Titansysteme haben hier derzeit noch einen Vorsprung. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis es konvektionierte Keramiksysteme geben wird. Ich persönlich habe neun Implantate im Mund: Sechs Titanimplantate aus früheren Zeiten und drei Patent™ Implantate, die noch von Johan Feith selbst eingesetzt wurden. Wenn mir irgendwann wieder ein Zahn verloren gehen sollte, käme für mich nur noch Patent™ infrage.
Zuerst erschienen in Ausgabe 4/21 der Zahn Krone (MedMedia Verlag). Die e-Paper-Version ist über folgenden Link einsehbar: https://www.medmedia.at/medien/zahnkrone/